Alexandra Antipa

Ich habe Alexandra Antipa über eine Leserunde bei Lovelybooks kennengelernt, wo sie eine sehr einfühlsame Rezension zur Anthologie des Text-Ateliers Leipzig »Die Zeit fällt aus dem Kleiderschrank« veröffentlicht hat. Schnell stellte ich fest: Alexandra schreibt nicht nur fleißig Rezensionen für ihren Buchblog, sie ist auch selbst Indie-Autorin. Wir kamen sofort ins Gespräch und ich freue mich sehr, dass Alexandra sich für ein Interview bereit erklärt hat und Einblicke in ihren Schreibprozess gibt.

Wann hast du mit dem Schreiben angefangen? Kannst du dich noch an deine erste Geschichte erinnern?

Ich habe etwa 2017 nach der Geburt meiner Tochter angefangen zu schreiben, ermutigt von meinem Mann. Er war derjenige, der mir den Mut zum Schreiben gegeben hat und dafür bin ich ihm dankbar. Ich begann, über den Tod meines Vaters zu schreiben und alles andere ergab sich von selbst, als ich meine Seele öffnete. Ich erkannte, dass Schreiben für mich die beste Form der emotionalen Befreiung ist. Ich habe über Menschen geschrieben, die ich geliebt und verloren habe – und dann alles in einem Buch zusammengefasst, das der Trauer und der Heilung zugleich gewidmet ist. Aber wenn ich ganz ehrlich bin: Ich schreibe schon seit ich ein Kind bin. Allerdings hatte ich bis vor Kurzem nie den Mut, mich als Schriftstellerin zu bezeichnen.

Welche Charakterstärken zeichnen dich und deine Arbeitsauffassung aus?

Ich würde sagen, dass ich ein disziplinierter Mensch bin. Allerdings muss ich mich dafür nicht anstrengen, ich bin einfach diszipliniert. Ordnung bringt mir Frieden. Ich glaube, dass Schriftstellerinnen von Struktur profitieren – es sei denn sie werden eher vom kreativen Chaos inspiriert. Eine meiner größten Stärken ist Ehrlichkeit. Ich sage (und schreibe) immer, was ich denke und fühle. Mir ist es wichtig, ehrlich zu mir selbst zu sein und Verantwortung für mein eigenes Handeln zu übernehmen – auch dafür, was ich auf meinem Weg zum Schreiben tue. Ich sehe mich selbst als kreativ, entschlossen und leidenschaftlich. Mit dem Schreiben habe ich eine Berufung gefunden, die zu meiner Persönlichkeit passt. Ich kann sagen, dass das Schreiben mich zu einem besseren Menschen gemacht und viele Emotionen freigesetzt hat.

Verdienst du mit Schreiben dein Geld? 

Das Schreiben ist definitiv eine Einnahmequelle für mich, und zwar auf mehr als nur eine Art. Einerseits arbeite ich als Werbetexterin und Übersetzerin. Diesen Beruf übe ich schon seit fast 20 Jahren aus. Andererseits verdiene ich auch Geld als Indie-Autorin. Allerdings ist das kreativen Schreibens noch frisch. Ich schreibe erst seit ein paar Jahren kreativ. Mein Traum ist, dass ich mich eines Tages ausschließlich darauf konzentrieren kann. Und weil ich ein sturer Steinbock bin, kann ich mir gut vorstellen, dass dieser Traum wahr wird.

Wie kam es, dass du ein Buch schreiben wolltest? 

Die Idee, ein Buch zu schreiben, hat mich schon immer begleitet. Allerdings fehlte mir anfangs der Mut dieses Ziel zu verfolgen. Ich hatte das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Jetzt weiß ich: Der Mut kommt beim Schreiben. So wie oft der Appetit beim Essen kommt. Mir macht es Mut, meine Fortschritte zu sehen. Ich arbeite hart daran, ein bessere Schriftstellerin zu werden. Bei diesem Prozess spielt das Lesen von Büchern eine wichtige Rolle. Ich habe das Glück, einen Ehemann zu haben, der an mich glaubt und mich ermutigt, meinen Traum vom Schreiben zu verfolgen. Er ist bei weitem die bessere Hälfte in unserer Partnerschaft.

Wie lange hat es bei deinem ersten Buch von der Idee bis zur Veröffentlichung gedauert?

Ein paar Monate. Einerseits war ich sehr aufgeregt, mein erstes Buch zu schreiben. Andererseits war der Schreibprozess eine emotionale Achterbahnfahrt. Ich musste in schmerzhafte Momente zurückreisen, schwierige Gefühle erneut durchleben und an Menschen denken, die ich geliebt und verloren habe. Danach brauchte ich ein bisschen Zeit, um mich von all dem Kummer zu erholen, den ich in mir trug. Das Ergebnis war ein Trauerroman, der nach etwa sechs Monaten intensiver Arbeit das Licht der Welt erblickte. Ich weiß nicht, ob es Mut oder Dummheit war, so ganz ohne Erfahrung im kreativen Schreiben loszulegen. Vielleicht ein bisschen von beidem. Jedenfalls ich bin stolz auf mich, dass ich es gewagt habe.

Was findest du handwerklich gesehen am herausforderndsten am Schreiben? 

Die größte Herausforderung beim Schreiben ist es, sich selbst zu vertrauen. Wenn du dein erstes Buch schreibst, schwankst du zwischen Selbstvertrauen und dem Gefühl, ein Hochstapler zu sein. Du entscheidest selbst, welcher der beiden Seiten du mehr Raum gibst. Ich habe mich für Selbstvertrauen entschieden, was auch die richtige Wahl ist. Nur was man oft nicht weiß: Selbstvertrauen kommt mit der Übung. Je mehr du schreibst, desto selbstbewusster wirst du. Das wiederum gibt dir die Kraft, an deinem Schreiben zu arbeiten, besser zu werden und dein Talent in die richtige Richtung zu lenken. Besonders das tägliche Schreiben hat mir geholfen, mich zu verbessern. Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig es ist, jeden Tag zu schreiben. So wie Essen und Schlafen solltest du das Schreiben zu einem Teil deiner Routine machen. Angehenden Schriftstellerinnen möchte ich die folgenden Bücher ans Herz legen:

Schreiben ist ein langwieriger Prozess. Welche Phasen findest du besonders anstrengend? Wie motivierst du dich?

Schreiben ist in der Tat ein langer Prozess. Mein wichtigster Ratschlag wäre, einfach zu schreiben, ohne an die Zeit zu denken. Ich verliere mich oft im Rascheln des Papiers und vergesse alles um mich herum. Auch, wie viel Zeit vergangen ist. Für mich ist der anstrengendste Teil die Überarbeitungsphase. Wenn du nach dem Lektorat feststellst: Es ist nicht alles gut, was du geschrieben hast und du bestimmte Teile kürzen oder verbessern musst. Dann fühle ich mich wie eine Hochstaplerin und werde sehr unsicher. Diesem Gefühl versuche ich entgegenzuwirken, indem ich mich erinnere, warum ich überhaupt mit dem Schreiben angefangen habe und indem ich mir meinen bisherigen Schreibweg anschaue. Von Zeit zu Zeit mangelt es auch mir an Motivation zum Schreiben. Mir hilft es dann, eine Pause einzulegen und ein paar Tagen später wieder mit dem Schreiben anzufangen. Außerdem fördert das Lesen eines guten Buches meine Motivation.

Hast du vor oder während des Schreibens am ersten Buch einen Schreibkurs besucht?

Ich habe keine Schreibkurse besucht, aber ich habe von den Masterclass-Kursen über kreatives Schreiben profitiert, die von Schriftstellern wie Margaret Atwood und Salman Rushdie entwickelt wurden. Darüber hinaus habe ich viele Bücher und Artikel über kreatives Schreiben gelesen und bin Teil mehrerer Autor:innengruppen. Dort tauschen wir Materialien aus und geben einander Feedback zu unseren Texten. Schreibkurse sind großartig, um die Grundlage fürs kreatives Schreiben zu legen. Aber der harte Teil liegt immer noch bei dir: Du musst das Handwerk ständig lernen und üben. Es gibt immer Dinge zu entdecken, sodass du dich wie eine Anfängerin fühlst. Aber keine Sorge, du entwickelst dich auf jeden Fall weiter und wirst mit jedem Tag eine bessere Schriftstellerin.

Wie sieht deine aktuelle Schreibroutine aus?

Ich habe keine bestimmte Schreibroutine, aber es gibt bestimmte Dinge, die für mich wichtig sind. Ich schreibe am liebsten früh am Morgen, wenn das Haus noch ruhig ist und ich einen klaren Kopf habe. Leise Musik im Hintergrund hilft mir dabei ebenso wie sanfte Beleuchtung. Ich schreibe alles zuerst mit der Hand. Deshalb ist es mir wichtig, hochwertiges Papier und Tinte zu haben. Am besten in einer dunkleren Farbe, denn der Kontrast macht mich kreativer.

Mein Tipp an beginnende Autor:innen: Wenn du dir erst einmal eine Zeit zum Schreiben genommen hast, fällt es dir leichter, dich daran zu halten – und leichter, zum Schreiben zurückzukehren, wenn du einmal unterbrochen wirst. Ich würde dir empfehlen, dich nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Nimm dir Zeit, um herauszufinden, was dir dabei hilft, deine Schreibroutine oder -gewohnheiten zu optimieren.

Nutzt du ein Schreibprogramm?

Ich benutze kein Schreibprogramm. Allerdings nutze ich ProWritingAid. Das ist eine Grammatik- und Stilüberprüfung, die für die erste Bearbeitung unerlässlich ist. Ansonsten gehöre ich eher zur alten Schule. Alles spielt sich zuerst in meinem Kopf ab und dann schreibe ich es mit der Hand auf richtigem Papier auf. Ich weiß, dass es viele Programme gibt, die sich dem Schreiben widmen. Aber ich finde, dass sie mir viel vom kreativen Schreibprozess wegnehmen. Ich bevorzuge die klassische Art und Weise, wie man seine Gedanken zu Papier bringt, und benutze Technologien nur, wenn es absolut notwendig ist.

Du hast das Kapitel »Adrian« für den Vorher-Nachher-Vergleich ausgewählt. Warum?

Ich habe »Adrian« aus Stories for the Heart ausgewählt, weil ich dieses Kapitel als Indie-Autorin geschrieben habe. Damals zögerte ich, mich als Autorin zu bezeichnen. Inzwischen bin ich froh, dass ich diese Identität angenommen habe. Ich bin aus zwei Gründen stolz auf dieses Kapitel. Erstens, weil es mir den Mut gegeben hat, weiterzumachen. Zweitens habe ich beim Schreiben die Kraft in mir gefunden, über den Tod und seine Auswirkungen zu sprechen, die er damals auf mich als Kind hatte. Handwerklich habe ich in der Überarbeitung an der Sprache gefeilt. Englisch ist nicht meine Muttersprache und ich wollte, dass die Geschichte so gut wie möglich klingt.

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Arbeitest du mit einer Lektorin zusammen? 

Ja. Meine Schwägerin lektoriert meine Bücher. Sie arbeitet im Verlagswesen. Das ist natürlich ein Glücksfall. Meine Schwägerin hat mich bei meinem bisherigen drei Büchern unterstützt. Für die Zukunft werde ich aber wohl eine andere Lektorin suchen müssen, denn meine Schwägerin hat nicht so viel Zeit.

Die Zusammenarbeit mit meiner Schwägerin war großartig und ich habe mich über jedes kleine oder große Feedback von ihr gefreut. Sie half mir nicht nur beim Text an sich, sondern bei vielen anderen Aspekten des Buchs (z.B. bei der Formatierung) – zumindest bis ich einige davon selbst gelernt hatte. Das war mir gerade am Anfang eine große Unterstützung. In gewisser Weise war sie wie eine Mutter, die mich in den ersten drei Jahren meines Lebens angeleitet hat. Jetzt bin ich viel unabhängiger und bereit, meine Flügel auszubreiten.

Was hast du beim Schreiben an deinem ersten Buch gelernt?

Die Veröffentlichung des ersten Buches, besonders wenn man Indie-Autorin ist, fühlt sich an wie eine Geburt. Zuerst wusste ich gar nichts, zumindest fühlte es sich für mich so an. Aber der Instinkt hat überwogen. Ich habe durchgehalten und eine Menge gelernt. Auch über mich selbst und darüber, wie lebendig ich mich beim Schreiben fühle. Meine vielleicht wichtigste Lektion war zu lernen, dass ich schreiben kann! Das fühlte sich unglaublich befreiend an und gab mir den Mut, diesen Weg weiterzugehen. Ich habe tolle Menschen kennengelernt, Autorinnen und Autoren, die Teil meines Alltags geworden sind und deren Unterstützung mir viel bedeutet hat.

Wie hast du dich weiterentwickelt?

Inzwischen habe ich drei Bücher veröffentlicht. Und jeder Schreibprozess hat mir neue Stärken gebracht. Ich glaube, jede Autorin, jeder Autor entwickelt sich ständig weiter – nicht nur in Bezug auf praktische Qualitäten, sondern vor allem hinsichtlich des Schreibens. Ich lese sehr viel und das hilft mir, selbst eine bessere Autorin zu werden. Ich liebe die Welt der Worte und sich in dieser Welt zu bewegen fühlt sich wie ein wunderbarer Traum an.

Sind weitere Bücher geplant?

Ja! Neben den drei bereits veröffentlichten Bücher habe ich weitere geschrieben, die sich aber noch nicht in der Veröffentlichungsphase befinden. Auch ein Roman über das Thema Trauer ist fertig und wird gerade überarbeitet. Darüber hinaus schreibe ich derzeit an einem Buch über Bücher. Es ist das erste, das ich in meiner Muttersprache, Rumänisch, schreibe. Oft wünsche ich mir, dass der Tag mehr als vierundzwanzig Stunden hat, damit ich noch mehr Zeit mit Schreiben und Lesen widmen kann!

Weitere Bücher von Alexandra Antipa

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Ich habe das Stories for the Heart von Alexandra Antipa selbst gelesen und rezensiert. Was ich über das Buch dachte, erfährst du hier.

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Alexandra Antipa ist Autorin, freiberufliche Schriftstellerin und Übersetzerin. Seit sie denken kann bringt sie Worte aufs Papier und findet als begeisterte Leserin Antworten zwischen den Deckeln guter Bücher. Die gebürtige Rumänin lebt derzeit in Deutschland mit ihrem Mann und Tochter Lorelai.

Alexandra Antipa

Steckbrief
So sieht mein Schreibtisch aus
Alexandra Antipa Schreibtisch Interview mit The Story to Be
Mein liebstes Zitat
Zitat von Joseph Conrad_Das Ziel des Schreibens ist es, andere sehen zu machen
Mein Buch
Cover von Stories for the Heart von Alexandra Antipa
Eckdaten
Inhalt
Are you looking to come to terms with your grief? Do you struggle to cope with loss? If your answer to either one of these two questions is yes, this grief memoir might be just the book you need. A collection of heartfelt stories about love and loss, which will help you go through the grief process and come out healed in the end.  The author’s healing journey through grief and beyond will inspire you to live life to the fullest, and tell others how you feel before it is too late. We all deal with loss, but one thing brings all of us together: the desire to move forward. In losing someone dear, we can keep their memory alive by telling their story and how they influenced ours.
Vorher vs. Nachher